Sie läuft in jedem Körper ab, aber kaum jemand kennt sie, die Autophagie. Es handelt sich um einen wichtigen Prozess, um die Gesundheit der Zellen aufrechtzuerhalten. 2016 hat der Japaner Yoshinori Ohsumi den Nobelpreis in Medizin für die Forschung darüber bekommen. Aber schon in 1963 hat der belgische Biochemist Christian de Duve die Prozesse der Autophagie beschrieben.
Das Wort Autophagie kommt aus dem Griechischen. „Auto“ heißt selbst und „phagein“ essen, fressen. Es geht um einen Vorgang, der in den Lysosomen innerhalb unserer Zellen abläuft und Zellbausteine wie etwa kaputte Eiweiße oder andere beschädigte Zellorganellen – z.B. Mitochondrien, unsere Kraftwerke in den Zellen – eliminiert und wiederverwertet.
Teilweise werden die Abbauprodukte wiederverwertet oder in Energie übergeführt. Deswegen wird die Autophagie durch Fasten stark angekurbelt. Es werden aber auch Mikroorganismen, Bakterien und Viren, die in den Körper eingedrungen sind, durch die Autophagie bekämpft. Sie spielt somit auch im Immunsystem, bei Infektionen, im Alterungsprozess und bei der Entwicklung von Tumoren eine große Rolle. Eine gut funktionierende Autophagie kann also Krebs vorbeugen.
Im Alter funktioniert die Autophagie nicht mehr so gut. Dadurch entstehen viele Krankheiten. Demenz, Parkinson, Alzheimer und Diabetes kann man darauf zurückführen. Das alles passt gut zur Beobachtung, dass bei einer geringeren Energiezufuhr die Menschen gesünder älter werden. Kein Wunder, dass die Autophagie zu einem großen Forschungsthema geworden ist. Viele Hundertjährige auf der Insel Okinawa geben an: „Wir essen nur so viel, dass wir gerade nicht ganz satt sind.“
Eine gut funktionierende Autophagie ist vorteilhaft für die Vermeidung von verschiedenen Krankheiten. Speziell bei Parkinson wissen wir, dass die Krankheit auf Absterben von Gehirnzellen zurückzuführen ist, und mangelhafte Autophagie dürfte ein Hauptgrund dafür sein. Wir haben schon von der Krebsvorbeugung gesprochen, und auch für Ostheoarthritis gibt es Vermutungen, dass dies stark mit der Autophagie zusammenhängt.
Kurzzeitfasten
Auch Österreich ist an der Autophagie-Forschung maßgeblich beteiligt. Besonders auch an Umsetzungsstrategien. Universitätsprofessor Dr. Frank Madeo betreut in Graz am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität eine groß angelegte Studie. Fasten ist ein Auslöser der Autophagie, die verjüngend, lebensverlängernd und regenerierend wirkt. Schon ein Kurzzeitfasten von 16 – 20 Stunden löst diesen Effekt aus.
Zellen brauchen Zeit, um ihren Abfall loszuwerden oder wiederzuverwerten. Wenn ständig gegessen wird, wird auch ständig Insulin benötigt, und der Körper ist dauernd mit dem Verdauen beschäftigt. Insulin hemmt die Autophagie. Die Empfehlung, fünf bis sieben kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich zu nehmen, gehört glücklicherweise bald der Vergangenheit an. Prof. Madeo sagt: „Begrüßen Sie den Hunger wie einen Freund, dann wird Ihr Körper aufgeräumt.“
Es müssen nicht einige Tage hintereinander gefastet werden, um in den Genuss der Autophagie zu kommen. Es genügt auch ein Intervall- oder Kurzzeitfasten. Ausreichend ist ein Intervall von 16:8, also binnen 24 Stunden nur während 8 Stunden 2 x zu essen und dann 16 Stunden zu fasten, also auf jegliche Nahrung, auch auf Fruchtsäfte zu verzichten. Wasser darf getrunken werden. Meistens lässt man das Abendessen aus. Es gibt auch die Methode, bei der an einem Tag normal gegessen und dann ein Tag lang gefastet wird. Ein Nebeneffekt des Kurzzeitfastens ist, dass meist weniger Kalorien aufgenommen werden und dadurch auch einige Kilos purzeln.
Lange Fastenperioden können in manchen Umständen sogar zu einem Problem werden. Fastet man für mehrere Tage, dann fangt der Körper an, Muskeln abzubauen, sobald alle anderen Reserven aufgebraucht sind. Das verringert nicht nur die Körperkraft, sondern verlangsamt auch den Metabolismus, was sich auf die Gewichtskontrolle negativ auswirkt. Beim intermittenten Fassten vermeidet man diese Probleme, während die Vorteile der Autophagie voll zum Tragen kommen.
Schwangere Frauen sollten Langzeitfasten vermeiden, und stillende Mütter haben oft schon nach einem Fastentag Probleme mit der Milchproduktion. Kinder und Senioren sollten auch vorsichtig sein mit Langzeitfasten. Kranke oder gebrechliche Personen wie z. B. Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium können nicht nur an Kraft verlieren, ein Fehlen von Proteinen in der Ernährung für mehrere Tage kann sich auch negativ auf das Immunsystem auswirken. Deswegen sollte Lanzeitfasten nur sehr vorsichtig eingesetzt werden, währenddessen das intermittente Fasten in den meisten Fällen gut toleriert wird.
Pflanzliche Ernährung
Man hat auch Stoffe in Lebensmitteln gefunden, die die Autophagie ankurbeln. Polyphenole gehören dazu. Sie kommen hauptsächlich in den Randschichten von Gemüse, Obst und Getreide vor. Sie schützen auch das Innere der Pflanzen vor dem Verderb durch Sauerstoff. Sie übernehmen diese Funktion auch im Körper der Menschen.
In vielen Gemüse- und Obstsorten kommt Spermidin vor, eine Substanz, die der Körper auch selber produziert. Die Verbindung zur Samenflüssigkeit ist richtig. Dort kommt es in hoher Konzentration vor. Forscher haben herausgefunden, dass auch Spermidin die Autophagie ankurbelt.
Es bestätigt sich wieder, dass eine pflanzliche Ernährung viele Vorteile mit sich bringt. Tierisches Eiweiß hemmt nämlich die Autophagie.
Auch Bewegung kommt zur Hilfe. Dabei werden die Zellen in einen Nährstoffmangel versetzt, der die Autophagie verstärkt. Klug ist es, nach dem Sport einige Stunden nichts zu essen. Dann ist die Wirkung noch größer.
Nun zur Praxis
Wir haben schon gesehen, dass das intermittente Fasten eine vorteilhafte Auswirkung auf die Autophagie hat. Am Besten isst man ein ausgiebiges Frühstück und ein mäßiges Mittagessen, danach überspringt man das Abendessen und isst nichts mehr bis zum nächsten Morgen. Während der Nacht ist der Kalorienverbrauch sehr gering, und die abendliche Nahrungsaufnahme schlägt sich schnell auf das Gewicht nieder.
Ein Überspringen des Abendessens wirkt sich ebenfalls positiv auf den Schlaf aus. Der Magen ist nicht mit der Verdauung beschäftigt und kann sich ausruhen. Die liegende Position mit einem vollen Magen kann eventuell auch zu Reflux führen. Und nachdem die Verdauung in der Nacht langsamer ist, kann sie zu ungewollten Gärungsprozessen führen. Oft ist auch die Schlafqualität beeinträchtigt.
Wie macht man diese Umstellung in der Praxis? Viele haben Probleme, mit einem leeren Magen schlafen zu gehen. Wenn das der Fall ist, kann man sich schrittweise auf die Umstellung gewöhnen. Entweder macht man das indem man graduell die nächtliche Fastenzeit erhöht, indem man das Abendessen auf eine frühere Zeit verlegt. Nach ein paar Tagen, wenn man es geschafft hat, das Abendessen auf 5 Uhr nachmittags zu verlegen, dann kann man einmal versuchen es auszulassen.
Eine andere Variante wäre, die Essensmenge graduell zu verringern, bis man mit einer Frucht am Abend das Auslangen findet. Wenn notwendig kann man auch für ein paar Tage auf Fruchtsäfte umstellen, bis man es schafft, das Abendessen ganz auszulassen. Es kann auch helfen, bei leichtem Hungergefühl ein Glas Wasser oder eine Tasse Kräutertee zu trinken. Sobald man sich an den neuen Rhythmus gewöhnt hat, ist es normalerweise kein Problem ihn auch aufrechtzuerhalten.
Eine andere Variante des intermittenten Fasten ist es, einen ganzen Tag pro Woche zu fasten. Idealerweise nimmt man nur Wasser zu sich. Falls man es nicht durchhält, kann man sich mit ein paar Früchten aushelfen. Diese belasten nicht die Verdauung und sind auch nicht zu kalorienreich. Meistens sind sie schon ausreichend, um das Hungergefühl zu kontrollieren. Neben den Vorteilen der Autophagie hilft ein wöchentlicher Fastentag auch bei der Gewichtsreduktion, und bei Bedarf kann man auch 2 Fastentage auf die Woche verteilen.
Die dritte Variante die ebenfalls schon positive Auswirkungen auf die Autophagie hat, ist die Begrenzung der Kalorienaufnahme bei jeder Mahlzeit. Genauso wie die Hundertjährigen in Okinawa hört man auf zu essen bevor man ganz satt ist. Hat man seine erste Portion gegessen, wartet man einen Moment und fragt sich ob es genug war, um den ersten Hunger zu stillen. Wenn ja, legt man das Besteck zur Seite und hört auf zu essen. Studien haben gezeigt, dass eine Kalorienreduktion die Lebensdauer von Mäusen deutlich verlängert. Es zahlt sich aus, auf seinen Körper zu achten.
Wir haben gesehen, welche Vorteile die Autophagie für unsere Gesundheit bietet. Bei der Umsetzung muss man vielleicht ein wenig experimentieren um zu sehen, woran man sich persönlich am besten adaptiert. Helfen wir unserem Körper beim Aufräumen und Wiederverwerten seines Zellschrotts, und er wird uns mit guter Gesundheit belohnen. Viel Erfolg beim Umsetzen!
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Esther Neumann studied Nutrition at the University of Vienna. Since then she served as an author for the health magazine „Leben und Gesundheit“ and conducted health lectures in various locations of Austria.
Reinprecht Christa meint
Vielen Dank! Dieser Artikel ist für mich sehr aufschlußreich und ich will das Intervallfasten durchführen.