Selen kommt in der Tat nur in Spuren im menschlichen Körper vor. Ein 70 kg schwerer Erwachsener bringt es im Durchschnitt gerade auf etwa 7 Milligramm. In der Medizin gilt Selen als lebenswichtiges, essentielles Spurenelement. Es spielt eine wichtige Rolle in der Entgiftung des Körpers, schützt die Hülle unserer Körperzellen und auch die roten Blutkörperchen vor schädlichen Angriffen durch Sauerstoff und ist Bestandteil einiger wichtiger Enzyme.
Vorkommen
Selen gehört zu den Halbmetallen. Es steht an der 59.igsten Stelle in der Häufigkeit der Element in der Erdhülle. Es kommt in der Natur nur selten rein vor. Meist finden wir es in Verbindungen mit Schwefel. Auch Selenminerale sind selten. Bekannt sind Clausthalit und Naumannit. Selenide findet man in Kupferkies und Zinkblende. Selen verwendet man in der Halbleiterindustrie zur Herstellung von Photodioden, Photozellen, Radaranlagen, Solarzellen und Belichtungsmessern. In Fotokopierern wird es wegen seiner photoelektrischen Eigenschaft eingesetzt. Winzige Beimengungen zu Glas verleiht diesem eine leuchtend rote Farbe. In den roten Verkehrsampeln erleben wir diese Farbe im täglichen Leben.
Die Lebensnotwendigkeit von Selen für Pflanze, Mensch und Tier wurde erst im Jahr 1957 entdeckt. Bei Selenmangel nehmen junge Tiere nicht richtig zu. Beim Menschen kommt es zu ganz spezifischen Mangelerkrankungen.
Funktionen im Körper
Die wichtigste Funktion erfüllt Selen als Bestandteil des Enzyms Glutathionperoxidase. Dieses wichtige Enzym kommt vor allem in den roten Blutkörperchen vor. Es schützt diese vor dem Angriff durch schädigende Sauerstoffradikale, die im normalen Stoffwechselgeschehen entstehen, aber auch durch Rauchen, Alkohol, Ozon, Smog und ionisierende Strahlungen.
Das Enzym schützt zusammen mit Vitamin E aber auch alle Zellmembranen. In die Membrane, das sind hauchdünne Begrenzungsschichten, sind verschiedene Fette eingebaut, die ganz besonders geschützt werden müssen. Werden solche biologische Membrane zerstört, kommt es zu frühzeitigem Zelltod oder zu genetischen Schäden im Erbmaterial.
Der Körper geht mit diesem selenhaltigen Enzym aber sehr sparsam um. Ist es nämlich verbraucht, so wird es durch Vitamin C und E wieder regeneriert. Auch Vitamin B2, die Carotinoide und Anthocyane spielen eine wichtige Rolle in diesem Stoffwechselgeschehen. Wir sehen also, wie wichtig eine vitamin- und pflanzenreiche Ernährung ist.
Selen ist aber auch in einem anderen Enzym, der Jodthyronin-5-Dejodase enthalten. Hier steuert es die Umwandlung des Schilddrüsenhormons Thyroxin in die biologisch aktive Form. Es hat also einen Einfluss auf den Grundumsatz, die Zellteilungsrate, die Zelldifferenzierung und das Zellwachstum.
Auch in der Entgiftung von Schwermetallen spielt Selen eine Rolle. Es bindet Cadmium, Blei und Quecksilber, sodass sich diese giftigen Metalle nicht mehr an lebenswichtige Proteine binden können.
Selen stimuliert auch das Immunsystem. Untersuchungen der letzten Jahre deuten auch daraufhin, dass Selen eine wichtige Rolle in der Krebsprävention spielt. Bei Krebspatienten findet man einen viel niedrigeren Selengehalt im Blut.
Mangelerscheinungen
Manche Böden sind sehr selenarm. Davon betroffen ist Mittel- und Nordeuropa aber auch weite Teile von China. Dort hat man auch ein gehäuftes Auftreten der sogenannten Keshan-Krankheit gefunden. In seiner chronischen Form zeigt sich diese Krankheit als Herzschwäche bei gleichzeitiger Vergrößerung des Herzmuskels. Man hat in der Gegend, wo diese Krankheit gehäuft aufgetreten ist, das Salz mit Selen angereichert und konnte sie so zurückdrängen.
Zu den ersten Symptomen eines Selenmangels zählen Myopathien, das sind Muskelschwächen. Stoffwechselstörungen der Leber und Bauchspeicheldrüse gehen häufig mit einem Selenmangel einher. Auch bei verschiedenen Formen der Arthritis und bei degenerativen Gelenkserkrankungen wurden geringe Selengehalte im Gewebe festgestellt.
Bei Chemotherapie von Krebserkrankungen sowie bei Sauerstofftherapien kommt es zu vermehrter Bildung von freien Radikalen, die durch Selen und andere Antioxidantien abgefangen werden müssen.
Selenreiche Lebensmittel
Tierische Lebensmittel enthalten grundsätzlich höhere Mengen an Selen als pflanzliche Nahrungsmittel. Aber das aus der Pflanze stammende Selen ist besser bioverfügbar, es wird also vom Körper leichter aufgenommen. Hohe Vitamin C-Mengen, die aber noch im physiologischen Bereich liegen, verbessern die Aufnahme aus dem Magen- Darmtrakt.
Hohe Selenmengen weisen Nüsse und Samen auf. Die Paranuss liegt hier an der Spitze. Auch Chia, Kokosnuss, Sojabohnen und weiße Bohnen sind gute Quellen. Im Vollgetreide, Hirse und Reis kommen ebenfalls wesentliche Mengen vor, aber hier in Abhängigkeit mit dem Selengehalt der Böden. Finnland ist eine sehr selenarme Gegend. Die Böden dort werden mit Selen angereichert. Andere Länder in Mittel- und Nordeuropa diskutieren ebenfalls eine Anreicherung.
Wer in Gegenden mit selenarmen Böden wohnt, sollte sich nicht ausschließlich von Produkten seines eigenen Gartens oder der Landwirte aus der Umgebung ernähren. Als Ergänzung sollten Produkte aus der dritten Welt auf den Speiseplan kommen, wo die Böden wesentlich mehr Selen enthalten. Paranüsse haben in der Regel einen besonders hohen Selengehalt, können aber je nach Bodenbeschaffenheit stark variieren. Der Verzehr von nur zwei Paranüssen deckt normalerweise den Tagesbedarf an Selen. Da Paranüsse so reich an Selen sind, sollte man sie eher spärlich verwenden und sich nicht alleine auf sie verlassen, da die Selenwerte je nach Ursprungsregion sehr schwanken können. Andere mögliche Ergänzungen sind Kokosnüsse, Pistazien, Sesam und Sonnenblumenkerne, Hirse und Sojabohnen. Das gilt vor allem für Vegetarier und besonders für Veganer, die alle tierischen Produkte ablehnen.
Überdosierung und Vergiftung
Bevor entdeckt wurde, dass Selen für den Menschen lebensnotwendig ist, galt das Spurenelement als eines der giftigsten Elemente. Akute Selenvergiftungen sind allerdings nur vereinzelt bekannt geworden. Bei der Glas- und Farbenherstellung und in der Elektronik, wo mit Selen gearbeitet wird, ist allerdings ein Schutz der Beschäftigten notwendig.
Über Nahrungsmittel alleine ist eine Überdosierung kaum möglich. Allerdings wird immer öfters eine Supplementierung mit Selen empfohlen. Entsprechende Präparate stehen auch bereits in den Regalen von Supermärkten und Drogerien. Ob eine zusätzliche Zufuhr generell empfohlen werden kann, ist umstritten, weil das Wissen um das Spurenelement noch unzureichend ist. Daher kann von einer unkritischen, eigenständigen Einnahme von selenhaltigen Ergänzungsmitteln nur abgeraten werden. Sie gehören in die Hände eines erfahrenen Arztes. Als gesichert gilt, dass die zusätzliche Einnahme von Selen bei Krebserkrankungen, speziellen Formen der Arthritis und bei bestimmten Herz-Kreislauferkrankungen empfehlenswert ist. Die einzunehmenden Mengen schwanken aber in Abhängigkeit mit dem jeweiligen Behandlungsverlauf. Das zeigt auch wieder, dass nur der behandelnde Arzt über eine Selenzufuhr entscheiden sollte.
Abwechslungsreiche Ernährung
Um einen Selenmangel zu vermeiden, ist eine ausgewogene Ernährung entscheidend. Probleme dürfte es nur in Gebieten mit sehr selenarmen Böden bei gleichzeitig eingeschränkter Nahrungsauswahl geben. Auch Menschen, die bewusst auf Fleisch oder andere tierische Produkte verzichten, können sich bedarfsgerecht ernähren. Mit Ausnahme der Paranuss haben Pflanzenprodukte normalerweise einen geringeren Selengehalt, der jedoch durch eine bessere Aufnahme und bessere Wiederverwertung von selenhaltigen Enzymen ausgeglichen wird. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass eine abwechslungsreiche Ernährung mit einem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln der richtige Weg ist.
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Esther Neumann studied Nutrition at the University of Vienna. Since then she served as an author for the health magazine „Leben und Gesundheit“ and conducted health lectures in various locations of Austria.
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