Hände sprechen Bände. Tolstoj beschreibt in einer mitreißenden Sprache wie ein Besucher in einem Spielkasino die Hände der Spieler beobachtet. Sie drücken so vieles aus. Da sind die völlig entspannten, denn es ist ganz egal, ob gewonnen wird oder nicht. Vielleicht kann sich der, dem die Hände gehören, noch leisten, zu verlieren. Beim anderen verkrampfen sich die Finger ineinander, sie zucken, sind feucht. Es geht um alles oder nichts. Darum, ob man hoch erhobenen Hauptes den Ort verlassen kann oder geschlagen, zerstört, beraubt jeder Würde, ohne Zukunft, mit viel Spielschulden.
Zu den nichtstofflichen Süchten, wie sie heißen, zählt nicht nur Spielsucht. Auch die Arbeitssucht kann uns vom eigentlichen Lebenszweck abhalten. Die weitere Aufzählung ist nicht vollständig, zeigt uns aber, dass fast alle Tätigkeiten zur Sucht führen können: Kaufsucht, Internetsucht, Computerspielsucht, Fernsehsucht, Sexsucht, Eifersucht, Geltungssucht, Ess-Brechsucht, Fettsucht, Magersucht, Schlafsucht, Bewegungssucht …
Entspannung und Genuss
Die oben aufgeführten Tätigkeiten sind nicht an sich schlecht. Wir können sie alle in positivem Sinn einsetzen. Wir arbeiten, um unser Leben leben zu können, um uns Wünsche zu erfüllen, um anderen helfen zu können. Sex ist etwas schönes, wenn er mit Liebe verbunden ist. Im Schlaf können wir uns erholen und entspannen. Spielen beschert uns Geselligkeit und Entspannung. Die Kinder lernen Regeln einzuhalten und ohne Wut zu verlieren. Essen verschafft uns Genussmomente, verhilft uns zu sozialen Kontakten und kann sehr befriedigend sein.
Zwang
Wann werden an sich normale Tätigkeiten zum Problem? Wenn sie unter Zwang immer wieder getan werden müssen. Der Wunsch, der beherrschenden Tätigkeit nachzugehen ist so groß, dass er mich dauernd beschäftigt. Oft wird die Arbeit vernachlässigt, Partner, Familienangehörige werden kaum mehr wahrgenommen. Das eigene Wohlergehen und die Gesundheit werden vernachlässigt. Eine Macht, die stärker ist als ich selbst, hat sich in mir breit gemacht.
Wenn jemand mit den Anforderungen des Alltags nicht mehr fertig wird, wird ein Ventil gesucht. Oft gleitet man dann in Träumereien ab. Man schafft sich seine eigene Welt. In dieser Welt ist man unverwundbar. Man fühlt sich vorerst wohl, geborgen, es werden keine Anforderungen gestellt. Erst mit der Zeit wachsen aus solchen Träumereien dann wieder Probleme.
Ein Grund, warum viele süchtig werden, ist auch der leichte Zugang zu den Hilfsmitteln. Fernseher, Computer stehen beinahe in jedem Heim, sogar in den Schlafzimmern. Spielautomaten für Glücksspiele stehen in vielen Gasthäusern und bilden eine zusätzliche Einnahmequelle. Schwieriger ist es schon, in ein Casino zu kommen.
Wenn nichts mehr geht
Anfänglich wird in der Suchthandlung wirklich Befriedigung gefunden. Man kann dem Druck von außen entfliehen. Eine eigene Welt, in der man sich wohl fühlt, wird geschaffen. Wird der Zwang, immer wieder in diese selber geschaffene Welt einzutauchen aber zu groß, fangen die Probleme an. Schließlich wird alles vernachlässigt, auch sich selbst. Das Wesen einer Sucht ist, dass man nicht aus eigener Willenskraft heraus kommt. Man kann sich nicht auf seine eigene Willenskraft verlassen. Einen Süchtigen kann man auch nicht gegen seinen eigenen Willen von seiner Sucht befreien. Jeder Versuch, ihm zu helfen wird so lange scheitern, bis er selbst den Entschluss gefasst hat, aus seiner Krankheit, die die Sucht in der Tat ist, herauszukommen. Was man aber sehr wohl lenken kann, ist, dass der Süchtige erkennt, dass er Hilfe braucht. Dazu ist aber eine Vertrauensbasis für viele gemeinsame Gespräche notwendig.
Wie kann geholfen werden?
Es sollen keine Vorwürfe gemacht werden. Der Kranke macht sie sich meistens selbst. In allen Situationen muss man hart aber herzlich bleiben. Oft hilft der Entzug von Unterstützung. Wenn etwa der Spielsüchtige, der um Geld spielt und es verliert, oder der Alkoholiker merkt, dass man ihm immer wieder mit Geld aushilft, wird ihm der Leidensdruck, befreit zu werden, genommen. Wenn man für einen Suchtkranken die Probleme löst und versucht sein Leben weitgehendst unter Kontrolle zu halten, unterstützt man ihn, weiterzumachen wie bisher. Zieht man die Hilfe ab, gerät er zwar in eine große Krise, aber sie kann ihn zwingen, sein Leben neu zu ordnen.
Angehörige dürfen sich nicht missbrauchen oder erpressen lassen. Man darf nichts ohne den Süchtigen oder für ihn tun, sondern alles mit ihm. Dazu braucht es meistens fachliche Hilfe. In allen größeren Städten sind Beratungsstellen für alle möglichen Hilfeleistungen eingerichtet. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe ist für den Betroffenen eine große Hilfe. Dort hört er in einer gelockerten Atmosphäre von den Problemen anderer und wie sie ihr Leben neu meistern. Er kann Gedanken austauschen, Ermutigung mitnehmen und gemeinsam Spass haben. Viele Selbsthilfegruppen arbeiten mit dem zwölf Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker.
Befreiung ist ein Prozess und ein geistliches Wachstum
Suchtkranke müssen erkennen, dass sie sich nicht auf ihre eigene Willenskraft verlassen können. Es ist nicht notwendig, herauszufinden, warum man süchtig ist, um eine Schuldzuweisung zu haben. Viele Süchtige sind in ihrer Kindheit vernachlässigt worden. Sie haben nie richtige Geborgenheit gekannt. Es fällt ihnen schwer, sich jemandem anzuvertrauen. Aber er muss erkennen, dass nur eine größere Kraft als sie in ihm selber steckt, helfen kann. Und diese Kraft ist sicher bei Gott, unserem Schöpfer und Erhalter zu finden. Darum ist das Gelassenheitsgebet der Anonymen Alkoholiker auch so wichtig und sollte zum Bestandteil jeder Therapie werden.
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Das Festhalten an bestimmten Grundsätzen ist eine große Hilfe. Das zwölf Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker ist ein geistliches Programm, das zur Heilung und zu geistlichem Wachstum führt und im Prinzip bei jeder Sucht hilfreich ist. Setzen Sie einfach an Stelle von Alkohol die betreffende Sucht ein. Jeder darf angstfrei zu seinem Problem stehen und lernen, dass es Befreiung gibt, auch für ihn. Die Befreiung aus der Sucht ist aber ein Prozess, an dem den Rest des Lebens gearbeitet werden muss. Aber es lohnt sich. Gott möchte, dass wir die Ketten der Sklaverei sprengen und er verheißt Sieg, wenn wir seine Hilfe in Anspruch nehmen.
Das 12 Schritteprogramm der Anonymen Alkoholiker:
1. Schritt
Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.
2. Schritt
Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.
3. Schritt
Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – wie wir Ihn verstanden – anzuvertrauen.
4. Schritt
Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.
5. Schritt
Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.
6. Schritt
Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.
7. Schritt
Demütig baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.
8. Schritt
Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten und wurden willig, ihn bei allen wieder gutzumachen.
9. Schritt
Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war -, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
10. Schritt
Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir es sofort zu.
11. Schritt
Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott – wie wir Ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns Seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen.
12. Schritt
Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.
Quelle: Anonyme Alkoholiker
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Esther Neumann studied Nutrition at the University of Vienna. Since then she served as an author for the health magazine „Leben und Gesundheit“ and conducted health lectures in various locations of Austria.
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